Hans Hekler
Lauterbach

Sprachbetrachtungen

Ist ein Handy ein handy?

Wer sich über "coole Kids" und "clevere Teens" aufregt, weil hier die deutsche Sprache durch englische oder amerikanische Einflüsse "verschandelt" wird, der sollte sich klar machen, dass es schon immer solche Einflüsse auf die deutsche Sprache gegeben hat. Aber während die "Kids" und die "Teens" auch in ihrer Ursprungssprache etwa die gleiche Bedeutung haben, gibt es sehr viele "falsche Freunde", die so tun als seien sie aus der englischen Sprache korrekt übernommen worden, obwohl das gar nicht stimmt.
Das aktuellste Beispiel ist das "Handy", ein Ausdruck, der vorgibt, dem Englischen zu entstammen, obwohl niemand in der englischsprachigen Welt diesen Ausdruck für ein schnurloses Telefon (mobile phone, cell phone, cordless phone) benutzt. "Handy" ist ein Eigenschaftswort der englischen Sprache und bedeutet "geschickt", "nützlich", "gut zu handhaben". Es gibt schon sehr alte "falsche Freunde" im Deutschen; bei manchen hat man sogar die Rechtschreibung eingedeutscht. Der "Keks" erinnert an das englische "cakes", aber "cakes" sind Kuchen und "Keks" heißt auf Englisch "biscuit" oder auf Amerikanisch "cookie".
Ebenfalls eine eigene deutsche Rechtschreibung ist dem englischen "shawl" als "Schal" zuteil geworden. Für Briten ist ein "shawl" ein großes Umhängetuch, wer einen normalen "Schal" will muss nach einem "scarf" fragen. Zu diesen alten "Anglizismen" gehört auch der "Spleen", dem man in früheren Jahren jemandem mit verrückten Ideen bescheinigte. Im Englischen ist "spleen" nichts anderes als die Milz, sodass fast jeder Engländer und Amerikaner, die Aussage "You've got a spleen." mit "Of course I have." bestätigen wird. Das deutsche "Spleen" müsste man mit "cranky idea" oder "strange habit" wiedergeben.

Die Großmütter der heutigen "Kids" pflegten "Pumps" (Aussprache: Pömps) zu kaufen. In einem Londoner Schuhgeschäft würde man ihnen Turnschuhe oder allenfalls Halbschuhe anbieten. Die Damenschuhe mit den hohen Absätzen heißen im Englischen "high heels" oder ein bisschen altmodisch "court shoes". Und auch ein "slipper" ist im englischen Schuhgeschäft kein Schuh ohne Schnürsenkel, sondern lediglich ein Hausschuh.

Wer im Wäschegeschäft in Birmingham einen "slip" verlangt, bekommt Unterhemdchen und keine Schlüpfer vorgelegt. Einen "pullunder" wird er vergeblich verlangen, dieses Wort ist eine rein deutsche Erfindung für ein "tank top". In der Herrenabteilung kann man keinen "Smoking" kaufen, denn dieses englische Wort heißt nur "Rauchen". Der entsprechende festliche Anzug ist ein "dinner jacket" oder ein "tuxedo".

Wer einen "Pudding" mit Vanille- oder Schokoladengeschmack in Bristol kaufen will, muss "custard" verlangen. Ein englischer "pudding" ist eine komplizierte Mehlspeise und muss - wie z. B. der "Yorkshire pudding" - durchaus nicht immer süß sein.

Ein "Oldtimer" ist für deutsche Autofans ein Auto, das mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel hat, britische Fans unterscheiden "vintage cars" oder gar "veteran cars", welch letztere vor 1905 gebaut wurden, während ein "oldtimer" ein Mensch ist, den man bei uns als "alten Hasen" bezeichnen würde.

Wenn sich die beiden Protagonisten im Roman oder Film am Schluss "kriegen", sprechen wir vom "Happy-End", währen in der englischsprachigen Welt das "happpy ending" üblich ist. Und natürlich versteht ein Amerikaner, was mit "Quizmaster" gemeint ist, aber er selbst wird ihn "game-show host" nennen. Auch den deutschen "Showmaster" kennt man in angelsächsischen Gefilden nicht, man spricht schlicht vom "host" oder "MC". Diese Abkürzung bedeutet "master of ceremonies", also "Zeremonienmeister" und erklärt vielleicht die Herkunft des deutschen "Master", das ja auch den "Talkmaster" hervorgebracht hat. Aber während die "talk show" zumindest den Amerikanern geläufig ist - die Briten sprechen von der "chat show" -, würden die Herren Biolek, Kerner oder Beckmann von Amerikanern als "talk-show hosts", von Briten als "chat-show hosts" bezeichnet.

Zum Schluss noch zwei Beispiele für neue deutsche "Wörter", die eindeutig dem englischen nachgebildet und die auf dem besten Weg sind, ihre ursprünglich benutzten alten Entsprechungen zu verdrängen. In deutschen Wörterbüchern, die vierzig Jahre alt sind, sucht man vergeblich nach dem Eigenschaftswort "brandneu". Es ist mit Sicherheit eine Nachahmung des englischen "brand-new", das wiederum in alten Wörterbüchern mit "nagelneu" übersetzt wurde. Wenn deutschen Teenagern etwas runterfällt, sagen sie heute genauso "oops" wie ihren Altersgenossen in Großbritannien oder den USA. Das deutsche "hoppla" ist vom Aussterben bedroht, das englische "whoops-a-daisy" ist zu "oops" verkürzt und international üblich geworden.

Soll man sich über solche Entwicklungen aufregen? Wer sich mit Sprachgeschichte befasst, wird dies nicht tun, denn er weiß, dass seit der Antike Spracheinflüsse über nationale und kulturelle Grenzen hinweggegangen sind. Welcher Deutsche weiß schon, dass Wörter wie "Straße", "Kirche" oder "Pferd" eigentlich auf lateinische, griechische oder, wie im Fall "Pferd" auf lateinisch-griechisch-keltische Ursprünge zurückgehen? Sprachen gehen ihre eigenen Wege, und alle Versuche der "Reinheitsfanatiker" wie Goebbels, der uns den "Vierkopftriebling" für den "Vier-Zylinder-Motor" verordnen wollte, sind zum Scheitern verurteilt. Trotzdem ist es gut zu wissen, dass nicht alles, was englisch aussieht oder sich englisch anhört, auch englisch ist.


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