Hans Hekler Lauterbach

Gabriele Weingartner in der Rheinpfalz vom 5. September 2009
Würdigung des Lyrikbandes "Späte Widmung"

der deutsch-französischen Dichterin Emma Guntz

Wie privat dürfen Gedichte sein? Und wie können sie allgemein gültig und zeitlos bleiben, ohne doch ihr poetisches Anliegen zu verlieren? Dass beides geht, beziehungsweise das eine nicht ohne das andere zu denken ist, beweist der neue Gedichtband von Emma Guntz. "Späte Widmung", gerade im ambitionierten Drey-Verlag erschienen, der - in der Schwarzwaldgemeinde Gutach angesiedelt - sich vor allem um Autoren aus dem Dreieck Straßburg-Basel-Konstanz kümmert, besticht nicht nur durch erlesene Aufmachung, sondern vor allem durch Selbstdisziplin.

Wo gibt es das, dass man nach der Lektüre eines Lyrikbandes mehr lesen will, als man bekommt? Emma Guntz, - 1937 geborene deutsch-französische Grenzgängerin und seit langem in Straßburg lebend - gelingt es, solch ein Verlangen zu wecken. Denn ihre Gedichte, die nach eigener Aussage eine Bestandsaufnahme sind und trotzdem unglaublich gegenwärtig wirken, enthalten von nichts zu viel. Sie sind weder pathetisch, noch sentimental, weder manieriert noch hermetisch. Kein überflüssiges Wort steht in den gänzlich ohne Kommata auskommenden, zumeist titellosen Poemen, deren Zeilen zwar nie ohne Grund gebrochen werden, bisweilen aber - zumindest im ersten Augen-Blick - auch mehrere Lesarten zulassen. Und obwohl Guntz durchaus auch lyrisch-übliche Sachverhalte verhandelt - weder vor Katzen noch Kirschblüten schreckt sie zurück - so ist doch die Art, wie sie darüber schreibt, von so karger, zuchtvoller Anschaulichkeit, dass die "Dinge" damit gleichsam zu sich selbst geführt werden.

Dem Leser bieten diese Gedichte jedenfalls unendliche Assoziationsräume und entfachen zugleich die Lust, sie sich laut vorzulesen. Dabei lässt sich feststellen: sie sind durchrhythmisiert und von hoher Musikalität. Also auch die Silben könnte Guntz gezählt haben. Immerhin, die streng gewahrte Distanz wird durch die Sinnabschnitte, unter denen die Autorin die Gedichte zusammengefasst hat, etwas abgemildert. Autobiografisches, Familiäres paust sich da durch: Kindheit, Jugend, Krankheit, Tod.

Auch Resignation, Desillusionierung. Und eine Begegnung mit der bulgarischen Lyrikerin Blaga Dimitrova, über deren Dichtkunst Guntz nachdenkt, macht deutlich, wie sie selbst vorgeht: "Die Sprache ist das Große, sagt sie mir/die Arbeit an der Sprache liebevoll und /streng die Sprache eine Zuflucht und ein Kampf." Der letzte Abschnitt des Bandes heißt "Fin". Dahinter findet man dann kein Gedicht mehr.(gaw)

Info: Emma Guntz: Späte Widmung. Drey-Verlag, 72 Seiten, Gutach 2009, 17 Euro
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